#007 Training & Drinks

[Lucy Chen]

Tim begrüßte sie und zog seine Handschuhe an, während er begann ihr zu sagen, dass er ihr zwar nicht reinreden wollte, aber es ihr vielleicht helfen würde, wenn sie das Tattoo von Caleb aus einem anderen Blickwinkel betrachtete. Etwas verwirrt sah sie ihn an, weil sie sich keine anderen Blickwinkel vorstellen konnte und sich fragte was jetzt von ihm kommen würde und ob ihr das wirklich helfen könnte. Kurz erzählte er von seinen Narben, von seinen Einsätzen. Sie konnte sich nur vorstellen, dass die unsichtbaren Narben ihn mehr beschäftigten, als die sichtbaren. die unsichtbaren Narben waren die in der Seele, die dafür sorgten, dass man nachts schweißgebadet, als einem Traum hochschreckte, die die einen ein Tattoo mit Makeup überdecken ließen, weil man nicht darüber reden wollte und die Blicke nicht ertragen konnte. Tim hatte garantiert auch solche Narben. Man musste nur lernen damit umzugehen, es zu verarbeiten, damit es einem besser ging. Vielleicht halb sein anderer Blickwinkel ihr wirklich, weshalb sie ihm gespannt zuhörte, als er ihr sagte, dass sie das Datum nicht als den Tag, an dem sie hatte sterben sollen betrachten, den schlimmsten Tag in ihrem Leben, als den Tag an dem sie auf ganzer Linie versagt hatte, weil sie sich nicht hatte selbst helfen können. Sie sollte den Tag sehen, als den ersten Tag ihres restlichen Lebens, sollte anerkennen, dass sie das überlebt hatte, nicht nur, weil sie sie gefunden hatten, sondern auch weil sie eine Kämpferin war und es bis zu diesem Zeitpunkt geschafft hatte. Ihre Augen waren leicht feucht geworden und sie nickte leicht. "Okay." Sie wusste das er Recht hatte, sie musste nur schauen, ob sie das auch in ihr Unterbewusstsein transportiert bekam, um nachhaltig ihre Einstellung dazu zu ändern. Er hatte noch die Idee, dass sie ja ein weiteres ihrer Narben überdeckenden Tattoos daraus machen konnte, etwas was eine Geschichte erzählte. Sie lachte auf. "Ja, vielleicht ein Fass, auf dem das Datum steht." Es war ein Witz. Ein verdammt schlechter zugegeben und das wäre das letzte was sie darauf machen würde, falls sie sich dazu entschied wirklich ein überlagerndes Tattoo zu stechen.

Auch Lucy musste zwangsweise an den Moment denken, an dem sie Tim ihre Tattoos erklärt hatte, als sie nackt neben ihm gelegen hatte und seine Hand über ihre Haut geführt hatte zu den Narben unter den Tattoos. Sie konnte noch immer spüren, wie warm und rau sich seine Hand auf ihrer Haus angefühlt hatte und was allein das schon in ihr ausgelöst hatte. Dieser Moment war so intim, so offen und ehrlich gewesen, dass sie ihn wahrscheinlich nie wieder vergessen würde. Genauso wie diesen Moment jetzt, der trotz des Ortes an dem sie waren irgendwie intim war, nur das er dieses Mal nicht ihre Haut berührte, sondern ihr Herz und ihre Seele. Sie hatte ihn angesehen und konnte nur hoffen, dass er an ihrem Blick nicht gemerkt hatte, was sie gedacht und gespürt hatte. Allein deswegen, weil sie jetzt einen Weg gefunden hatten, wie sie miteinander umgehen konnte und weil Lucy im Moment so viel mit sich selbst zu tun hatte, dass sie sich auf nichts neues einlassen wollte, einfach weil das dann zum Scheitern verurteilt war. Dafür war Tim ihr viel zu wichtig und sie wollte die Beziehung zu ihm nicht zerstören, indem sie weiter ging, als es gut für sie beide war. "Okay und nun lass uns trainieren. Zeig mir erst einmal was du alles drauf hast. Dann weiß ich womit ich arbeiten kann und was wir definieren müssen." Riss er sie aus seinen Gedanken und Lucy lächelte ihn an. "Okay, also im Grunde hat mein Onkel nur ein bisschen Krav Maga zur Selbstverteidigung beigebracht, also müsstest du mich angreifen, damit ich dir was zeigen kann. Das mit dem Boxsack, kann man bei mir nicht wirklich ernst nehmen."